Zentrale Ideen und und wissenschaftliches Profil
Die Lebenseinstellung der Menschen heute ist geprägt von Autonomie, Bedürfnisorientierung und funktionalem Kalkül – Folgen der modernen Individualisierung, die dem Einzelnen hohe Entwicklungspotenziale, große Erfolgsmöglichkeiten und scheinbar unendliche Optionen zuspielt. Das Leben wird zum Projekt, das sich am Erreichten und an Intensitäten bemisst. Mit dieser neoliberalen Orientierung wird die seelische Ernährung aber zunehmend zum Problem: Überforderung, Erschöpfung, Isolation und Sinnleere bestimmen die Menschen immer nachhaltiger, und auch ihr Verhältnis zu Religion und Christentum. Es kommt zu einem tendenziellen Verlust von Respekt: vor den anderen, der Natur und auch vor dem eigenen Körper.
An die Stelle ehemaliger religiöser Selbstverständlichkeit und Verbindlichkeit sind Agnostizismus und eine religiöse Suchhaltung getreten, die am Christentum weitgehend vorbeigehen. Die traditionsverhafteten und auf einen inhaltlich fixierten Glauben verpflichteten Kirchen haben auf diese massiven Veränderungen bisher noch nicht einmal ansatzweise reagiert. Sie mutieren innerhalb von nur kurzer Zeit zu sektenähnlichen Gebilden.
„Respekt“ ließe sich als Kernbegriff der Religion verstehen. Denn alle Religion ist im Kern immer die Wahrnehmung des Lebens als Wunder, als das Nicht-Selbstverständliche. Für die Religionspädagogik ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer Plausibilisierung geprägter christlicher Formen und Gehalte, ja von Religion überhaupt. Welche Lebensbedeutung hat die Religion?
Meine wissenschaftlichen Interessen gelten dem Zusammenhang von Religion und Bildung, der Religionsästhetik, der Philosophiegeschichte (speziell der philosophischen Ästhetik und der Nietzscheforschung), der Analyse religiöser Suche und religiöser Erscheinungsformen in Gesellschaft und Kultur der Gegenwart (in der individuellen Lebensorientierung, der Populären Kultur, den Medien usw.), der Frage nach Wert und Bedeutung christlicher Traditionen, Formen und Gehalten für religiöse Bildungsprozesse. Dafür beziehe ich mich auch auf (religions)ästhetische, (religions)psychologische und vor allem psychotherapeutische Erkenntnisse.
Wurzeln meines theologischen Denkens liegen vor allem beim theologisch wenig wahrgenommenen historischen Jesus, bei Meister Eckhart, Martin Luther und Friedrich Schleiermacher, ferner in den oft faszinierenden Erfahrungen und religionskritischen Einsichten verschiedener Ketzergestalten der christlichen Geschichte.
Ein weiterer Schwerpunkt ist meine Arbeit mit kulturgeschichtlichen Themen aus der geistigen Tradition des Abendlandes in der interessierten Öffentlichkeit. Mein Interesse gilt hier dem philosophischen und dem religiösen Kulturgut der Tradition, das ich in Verbindung mit heutigen Fragestellungen und Problemlasten zu bringen versuche. Inzwischen haben sich nachgefragte Reihenveranstaltungen im Stil Philosophischer Salons etabliert, in denen ich mit Vortrag und moderiertem Gespräch den Grenzgang zwischen Philosophie, Existenzfragen und Religion erprobe.
Mein Interesse gilt der Erforschung des subjektiven Aufbaus von Religion, die mir auch für die Beschreibung religiöser Bildung unverzichtbar erscheint. Die Entstehung von Religiosität, fördernde und hemmende Einflüsse bei deren Entwicklung, die Rolle der Imagination usw. schätze ich als weitgehend unbearbeitetes praktisch-theologisches Forschungsfeld von grundlegender Bedeutung ein.
Ein weiteres Interesse gilt dem therapeutischen Potential christlicher Traditionen und Einsichten. Alle wichtigen Formen der Therapie (analytische, verhaltensbezogene, szenische/systemische und körperorientierte wie etwa die Traumatherapie) induzieren einen Weg der Öffnung, der dem Wissen und der Absicht lebendiger Religion genau entspricht. Heil und Heilung gehören zusammen.
Ein neuer Schwerpunkt meiner Arbeit ist die dringend notwendige Reform der religiösen Bildung und der Kirche. Im Sinne einer beim Wort genommenen Subjektorientierung darf religiöse Bildung nicht Weitergabe alter Traditions-Inhalte sein, sondern muss – genau so wie diese Traditionen selbst – symbolische Deutung von Lebenserfahrung sein. Religionsunterricht und Kirche haben also genau so, wie es die Bibel vormacht, von den Themen der Menschen heute auszugehen, nicht „den“ Glauben weiterzugeben!